Der Erfahrungsbericht eines frustrierten Post-its
Anhand dieser realen Geschichte aus der Praxis will ich euch zeigen, dass eine Revolution „bottom up“ zwar möglich ist, es für den nachhaltigen Erfolg aber die Unterstützung „top down“ benötigt. Übrigens: ich heiße Knut und bin agiler Mitarbeiter. Also ein agiles Werkzeug. Ein Post-it!
Nachdem zwei aufgeweckte Führungskräfte des oberen Managements der Überzeugung waren, dass die Einführung einer agilen Arbeitsweise und agiler Methoden innerhalb des Kundenservices im Zeitalter von VUKA zeitgemäß und notwendig sind, wurde ich Teil des Unternehmens. Zusammen mit 4.328 Kollegen der Farben pink, grün, gelb und orange zog ich in den Moderationskoffer ein. Ich selbst gehöre zur Fraktion der gelben Post-its. Falls wir uns einmal begegnen sollten!
Die Führungskräfte haben entschieden, dass für alle Mitarbeiter des Kundenservices Workshops durchgeführt werden. Diese sollten dazu dienen, den Mitarbeitern sowohl Hintergrundwissen als auch Vorteile des agilen Arbeitens und vor allem einer agilen Haltung zu vermitteln. Meine Kollegen und ich waren schon ganz aufgeregt vor unserem ersten Arbeitseinsatz!
Bei den Workshops haben wir Post-its schnell gemerkt, dass viele Mitarbeiter, die dem ganzen anfänglich noch zurückhaltend begegneten, durchaus bereits über agile Denk- und Herangehensweisen verfügten. Somit fiel es uns relativ leicht, die Sinnhaftigkeit einer konsequenten Veränderung der Arbeitsweise vom klassischen und statischen Projektdenken hin zur Agilität zu verdeutlichen. Das waren wirklich tolle Workshops mit motivierten Mitarbeitern! Innerhalb kürzester Zeit bekamen auch andere Abteilungen Lust darauf, agile Methoden kennen zu lernen und dort, wo es Sinn versprach, einzuführen. Selbstverständlich wieder mit unserer uneingeschränkten Unterstützung. Wir fanden die Aussicht klasse, bald im ganzen Haus herum zu kommen und die Erfahrungen aus dem Kundenservice mit anderen zu teilen! Nachdem der positive Spirit und eine Aufbruchstimmung spürbar waren, hörten wir immer häufiger folgende Fragen: „Wie sieht das denn unsere Geschäftsleitung?“, „Steht unsere Geschäftsführung auch hinter der Einführung von agilen Arbeitsweisen?“, „Dürfen wir das denn?“ etc.
Zeit also, sich bei der Geschäftsführung „grünes Licht“ geben zu lassen, um dann gemeinsam mit den Mitarbeitern und allen Post-it-Kollegen in die neue Arbeitswelt aufzubrechen.
Wir haben uns wahnsinnig gefreut, jetzt so richtig durchzustarten! Leider kam es dann aber doch ganz anders…… Obwohl dieser Veränderungsprozess weder die Freigabe von Budgets, noch die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter erforderlich gemacht hätte – okay, ein paar mehr Post-it-Kollegen wären schon notwendig gewesen, aber die arbeiten ja sogar unter dem Mindestlohn – und trotz der Tatsache, dass die Mitarbeiter gerne etwas neues ausprobiert hätten – ganz so, wie es die Geschäftsleitung immer propagiert hatte – und motiviert waren: das Projekt der Einführung einer agilen Arbeitsweise scheiterte daran, dass sich die Geschäftsleitung nicht dazu durchringen konnte, den Mitarbeitern Vertrauen entgegen zu bringen und nicht den Mut aufbrachte, einfach mal etwas auszuprobieren. Meine Post-it-Kollegen und ich waren mächtig enttäuscht. So gerne wären wir Zeugen einer tollen Entwicklung geworden und hätten die Kollegen im Unternehmen nach bestem Können unterstützt!
Lessons learned: Veränderungsprozesse und Motivation die „bottom up“ entstehen, werden ganz schnell beendet, wenn sich die Geschäftsleitung nicht aktiv für das Gelingen einsetzt.